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Tierschutzgerechte Fischerei
"Das Tierschutzgesetz steht unter der Leitidee einer
Verantwortung des Menschen für das seiner Obhut anheim gegebene Lebewesen Tier. Das Tier wird vom Gesetz um seiner selbst willen geschützt. Es genießt individuellen und unmittelbaren, vor allem auch strafrechtlichen
Schutz aus ethischen Gründen vor dem Menschen" (DROSSÉ, 1986). Das Tierschutzrecht hat zwei wesentliche Aspekte:
- die Forderung einer artgerechten Haltung (§ 1 (1) und § 2a TSchG)
- das Verbot, (Wirbel)tieren vermeidbare (früher: ohne vernünftigen Grund) Leiden oder Schäden zuzufügen (§ 1 (2) und § 13 TSchG).
Folglich ist der Fischer oder der Angler nach heutigem juristischen
Verständnis für den "seiner Obhut anheim gegebenen Fisch" verantwortlich. In der Vergangenheit sind die mit Schmerz und Leid verbundenen physiologischen Leistungen der Fische eher unterbewertet worden -
nicht zuletzt dadurch, dass sich die wenigen Experimente stets nur mit den Reaktionen auf Verletzungen befassten, die in der Tat gering sind. Dennoch wird das Verbot der Tierquälerei schon seit über 100 Jahren auch
auf Fische angewendet, wie z.B. die Diskussion über die Verurteilung einer Berliner Dienstbotin wegen des Häutens eines angeblich lebenden Aals in der Fischerei-Zeitung im Jahre 1880 zeigt.
Inwieweit Fische
Schmerzen, Angst und Leiden empfinden, wird zur Zeit heftig diskutiert. Dabei ist bekannt, dass Fische grundsätzlich in der Lage sind, die beim Fang mit der Angel oder mit Netzen auftretenden Reize wahrzunehmen, zu
verarbeiten und zu beantworten. Aus zahlreichen Beobachtungen und Untersuchungen wird aber deutlich, dass sich ihre Reizempfindungen erheblich von denen warmblütiger Organismen unterscheiden. So wehren sich z. B.
die verschiedensten Fischarten beim Fang mit der Angel trotz eines tief eingedrungenen Hakens, ohne dem Schmerz nachzugeben (VERHEIJEN 1986), und nach dem Fang vermögen sie sich rasch an eine Gefangenschaft in
Setzkeschern oder Hältern bei Normalisierung ihrer Stressreaktionen anzupassen (KOßMANN & PFEIFFER 1996, SCHRECKENBACH & WEDEKIND 1996). Stress, Schmerz und Leid können daher bei Fischen nicht mit den
emotional verknüpften menschlichen Empfindungen gleichgesetzt werden.
Obwohl die einheimischen Süßwasserfische über die anatomischen Voraussetzungen zur Aufnahme und Verarbeitung von Schmerzreizen verfügen
(SCHULZ 1978, BONE & MARSHALL 1985), bleibt die Schmerzwahrnehmung durch mechanische Reize sowie die Existenz eines zentralnervösen Schmerzzentrums unklar (KLAUSEWITZ 1995). Für die mechanische Schmerzreizung
gilt daher weiterhin die Auffassung: "Es ist nicht sicher nachgewiesen, aber sehr wahrscheinlich, dass auch Fische einen Schmerzsinn haben" (KLINGER 1988). Auch solche emotional verknüpften Empfindungen,
wie "Angst" und "Leid" können bei Fischen nur subjektiv eingeschätzt und nur bedingt mit der Leidensfähigkeit höherer Wirbeltiere verglichen werden. Selbst wenn bei Fischen ein ähnliches
Empfindungsvermögen unter optimalen Wassertemperaturen angenommen wird, kann anhand der vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass bei niedrigen Wassertemperaturen ihre
Schmerzempfindungen und ihre Leidensfähigkeit weitestgehend eingeschränkt sind. Dieser Zusammenhang wird seit Jahrzehnten zur Verringerung der Belastungen von Fischen beim Fang, bei der Hälterung und beim Transport
ausgenutzt.
Zusammenfassend kann das Problem Schmerz und Leiden bei der Fischerei in natürlichen Gewässern wie folgt bewertet werden (vgl. auch SCHRECKENBACH & WEDEKIND, 1996, 1997): - kleinere
Verletzungen (z.B. Schuppenverlust oder Eindringen eines Angelhakens) sowie kurzzeitige Beeinträchtigungen der freien Beweglichkeit (z.B. kurzer Drill oder kurzer Aufenthalt im Stellnetz) sind sehr wahrscheinlich
nur mit minimalem Schmerz und Leiden verbunden. Das Gleiche trifft für die ordnungsgemäß ausgeführte Elektrofischerei zu (vgl. RÜMLLER & PFEIFER, 1996). - die Entnahme von Fischen aus dem Wasser
verursacht einen durch sekundäre und tertiäre Parameter deutlich messbaren (Dys)streß (HARDER, 1994). - Stress kann durch die Fische offenbar rascher abgebaut werden, wenn sie dicht gedrängt und/oder unter einer
Deckung (z.B. Ufervegetation oder das Netzdach des Setzkeschers bzw. der Reuse) stehen können. - schlechte Milieubedingungen (z.B. Sauerstoffmangel oder hohe Konzentrationen an Stoffwechselprodukten)
verursachen einen erheblichen und nachhaltigen Dysstress mit nachfolgenden physiologischen Schäden und teilweise tödlichem Ausgang (Milieustress). - Niedrige Wassertemperaturen bewirken eine erhebliche
Reduzierung der Stressreaktionen der Fische bei Fang, Transport und Hälterung.
Zu untersuchen ist: 1. Fügt der Fischer dem "seiner Obhut anheim gegebenen Fisch" beim Fang oder bei anderen
Manipulationen Schmerz oder Leiden zu? 2. Falls ja, besteht dafür ein vernünftiger Grund?
Der Beantwortung der ersten Frage muss vorangeschickt werden, dass spezielle Untersuchungen der Wirkungen des
Fangs außer für das Angeln nicht bekannt sind. Es kann deshalb nur versucht werden, vom allgemeinen Wissensstand auf die einzelnen erlaubten und gebräuchlichen Fangmethoden zu schließen: - Elektrofischerei:
Hierbei wird im Wasser ein annähernd kugelförmiges Gleichstromfeld aufgebaut, in dessen Wirkungsbereich die Fische durch Flucht entweichen können oder durch die sogenannte Anodenreaktion zur Fangelektrode schwimmen
müssen und hier narkotisiert werden. Das Auftreten von Schmerz und Leiden ist hier völlig unwahrscheinlich. Anthropomorphistisch ausgedrückt bekommen die Fische nur einen Schreck und können entkommen oder werden
betäubt. Unsachgemäß ausgeführte Elektrofischerei (z.B. mit Wechselstrom) kann aber zu erheblichen Wirbelsäulenschäden (die bei Fischen verheilen) und damit zu Leiden führen. - Angeln: Das Anhaken
stellt bestenfalls einen unbedeutenden Schmerz dar, der eine Definition als Leiden nicht rechtfertigt. Auch ein kurzer Drill kann noch nicht als Leiden bezeichnet werden. Man weiß aus der Säugetierphysiologie, dass
kurze Kampfsituationen (z.B. der Riss durch einen Beutegreifer) nicht mit Schmerz und Leiden verbunden sind. Bei längerem Drill kann Leiden nicht mehr ausgeschlossen werden. Wo die Grenze liegt, ist derzeit nicht
bekannt. Deshalb muss waidgerechtes Angeln auch bedeuten, dass der Drill so kurz wie möglich gehalten wird. - Hälterung: Die Hälterung dient der Aufbewahrung der Fische zum lebendfrischen Verbrauch und der
"Ausspülung" von geschmacksbeeinträchtigenden Stoffen. Sie muss möglichst frei von Stress und Leiden sowie artgerecht erfolgen. Stressfaktoren bei der Hälterung, die zu Leiden "ausarten" können,
sind schlechte Wasserqualität (Milieustreß) und fehlende Deckung. Deshalb können gut mit Frischwasser versorgte und nach oben durch Netz oder andere Materialien abgedeckte Hälter auch mit dichtem Fischbesatz (bis zu
100 g/l) als besonders tierschutzgerecht bezeichnet werden. Lebendfischtransporte sind in der Seen- und Flussfischerei zwar nicht die Regel, kommen aber über kurze Entfernungen vor. Eine grobe gesetzliche
Regelung des Lebendfischtransportes gibt die Tierschutztransportverordnung vom 25.2.1997 vor. Detailliertere praktisch erprobte Normative kann man z.B. bei KNÖSCHE (1994) nachlesen. - Sonstige
Manipulationen: Der Aufenthalt von Fischen außerhalb des Wassers ist stets ein erhebliche Stressfaktor und sollte so kurz wie möglich gehalten werden. In der technologischen Kette steht am Ende der Fischerei das
Schlachten, das in der Tierschutz-Schlachtverordnung vom 3.3.1997 (TierSchlV) auch für Fische geregelt ist. Sie schreibt eine Betäubung vor dem Schlachten zwingend vor (Elektroschock, Kopfschlag oder für Salmoniden
CO2-Exposition). Nur geprüften sachkundigen Personen ist das Schlachten von Fischen erlaubt. Aus diesem Grunde beinhaltet die Fischerprüfung in allen deutschen Bundesländern schon seit langem auch das sachkundige
Schlachten von Fischen. Ausgenommen von den Bestimmungen der TierSchlV sind Massenfischfänge, bei denen eine Betäubung unzumutbar ist.
Die o.g. Einschätzung zeigt, dass landesübliche Fischerei
(naturgemäß) Leiden der Fische nicht völlig ausschließen kann. Daher ist noch zu untersuchen, ob diese Leiden vermeidbar sind. Das muss, da es sich um einen Terminus in einem Gesetz handelt, auch unter juristischen
Gesichtspunkten geklärt werden. Leider ist uns dazu kaum Literatur bekannt. Am ehesten könnten noch Ausführungen von SCHARMANN (1994) eine Verhaltensorientierung geben. Für Tierversuche fordert er, die ethische
Vertretbarkeit durch die Abwägung von berechtigten Interessen des Menschen und der Belastung der Tiere einzuschätzen, wobei ökonomische Interessen im Sinne von Luxus keine Rolle spielen dürfen. In Anlehnung an diese
Ausführungen kann man folgendes Abwägungsschema ableiten (- kein vernünftiger Grund, d.h. vermeidbar; + vernünftiger Grund).
Nach Informationen von: Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sarow e.V.
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Nachtrag 2
+++ Fische fühlen doch Schmerz +++ ???
Ende April 2003 geisterte eine Meldung durch so gut wie alle Tageszeitungen, die auch in Anglerkreisen auf das heftigste diskutiert wurde - Wissenschafter haben bei Fischen “Schmerzrezeptoren nachgewiesen”. Ja was nun?
“Eine Studie des Roslin-Institutes an der Universität Edinburgh hat ergeben, dass Fische sehr wohl Schmerz und Stress fühlen können. Das Team um Dr. Lynne Sneddon hat am Kopf der Regenbogenforelle 58
Schmerzrezeptoren entdeckt, die auf mindestens einen schmerzauslösenden Faktor reagierten.” Soweit klingt ja alles ganz seriös. Ein angesehenes Institut hat Untersuchungen durchgeführt, was zwar alle anderen
Untersuchung widerspricht - aber auch wir Angler sind für neue Erkenntnisse immer offen. Und ein richtiger Angler hat seinen Fisch noch immer waidmännisch behandelt, auch ohne den direkten Nachweis, dass Fische
Schmerzen empfinden können. Stutzig wurden wir jedoch, dass gleich in der von dpa verbreiteten Meldung unsere bornierten Freunde von der PETA zu Wort kommen. “Dawn Carr, Europa-Direktor der Organisation,
begrüßte die Ergebnisse der Studie”. Aha - klar woher der Wind weht. Ohne der Dame von der Universität Edinburgh jetzt Unrecht tun zu wollen, aber das riecht so stark nach einem Gefälligkeitsgutachten ...
Interessant ist auch die Art der “Untersuchung”: Die Forscher spritzten nach den Angaben unter anderem Bienengift oder Essigsäure in die Lippen der Forellen oder setzten sie Temperaturen von mehr als 40 Grad
Celsius aus. Dann untersuchten die Wissenschaftler, wie das Nervensystem der Tiere reagierte. "Die Fische zeigten zuckende Bewegungen. Die mit Säure injizierten Forellen rieben ihre Lippen etwa an den Wänden
des Aquariums", sagte Sneddon.”
Och Mensch, was soll das? Soll ich erwarten, dass ein Fisch ruhig bleibt, wenn ich ihn koche? Sei es, wie es ist, für mich sind diese “Ergebnisse” bestellt und
wissenschaftlich unseriös recherchiert. Und das die Gegner von Tierversuchen eine Studie mit Tierversuchen begrüßen - interessant. Es bleibt aber dabei, egal was die untersuchenden Wissenschafter
herauszufinden glauben - der Fisch ist eine Kreatur, die ich, und jeder waidgerechte Angler, mit Respekt behandele.
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